Visionen

Beitrag zur Waldbesetzung im Dautenbachtal, die am 1.6.2022 geräumt wurde. Gehalten auf der Raddemo gegen die A44 in den Stiftswald vom 19.6.2022

Liebe Menschen,

jede Räumung ist eine zu viel. Egal ob von der Grünen Partei, wie im Danni, von einem Ritterstift, wie im Stiftswald, oder durch eine Universitätsleitung, wie „Unsere Villa“ in Kassel. Wir müssen uns aktiv gegen die Zerstörung von Baumhäusern, Steinhäusern, Natur und Wäldern und gegen Leerstand wenden. Die Besetzung von Wäldern, Feldern und Häusern muss dafür als gerechtfertigtes Mittel anerkannt sein. Unsere Projekte und Aktionen sind nützlich, wenn wir mit ihnen die gesellschaftliche Normalität durchbrechen.

Wahrscheinlich werden wir nicht viel von dem erhalten können, was wir erschaffen, aber das ist okay, denn die Projekte und Aktionen sollen nicht nur erhalten werden, sondern uns neue Fähigkeiten beibringen und der Gesellschaft Bilder und Visionen von Lebensweisen vermitteln – konnten die Menschen noch nicht ahnen, dass schon nach kürzester Zeit ein Großaufgebot der Polizei vor Ort sein und die Aktion wieder räumen würde. Zurück geblieben sind nur die Spuren der Steigeisen des Sondereinsatzkommandos in einigen Bäumen und die typischen gesprühten Markierungen, die für eine Räumung sprechen.

Bemühungen mit dem Ritterstift zu reden sind davor mehrfach abgelehnt worden, ohne plausible Begründung. Scheinbar haben der Ritterstift, das Regierungspräsidium und Hessen Forst mehr Angst vor der gelebten Utopie von einer Hand voll Menschen, als vor der Zerstörung von natürlichen Wasserquellen, Lebensräumen für Tiere und dem Waldsterben, aufgrund von Wassermangel und Dürre, verursacht durch Menschenhand. Diese Szenarien liegen nicht erst in ferner Zukunft. Der geplante Autobahnbau und die Waldrodung lassen uns mit Vollgas auf die Zerstörung der natürlichen Lebensräume von Menschen, Tieren und Pflanzen zu preschen.

Besonders betroffen von den Folgen des Klima zerstörenden Arbeits- und Profitzwangs sind mehrfachmarginalisierte Menschen, wie BIPoC (also Black, Indigineous, People of Colour), Be_hinderte, Kinder und FLINTA* (Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans und agender Menschen) und Menschen in besonders von Dürren und Überschwemmungen heimgesuchten und für Profitinteressen ausgebeuteten Gebieten im Globalen Süden. Sie sind den im globalen Norden verursachten Folgen einerseits ausgeliefert, zugleich aber auch selbst in Klimabewegungen gegen diese Zerstörungen aktiv.

Die Polizei hat im Zuge der Räumung der Waldbesetzung im Stifti letzten Endes eine Kindeswohlgefährdung gemeldet. Die Gefahr resultiere laut Jugendamt daraus, ein Kind einem Polizeieinsatz ausgeliefert zu haben. Der Polizeieinsatz, der die Gefahr dargestellt haben soll, war illegal und nicht legitim. Demnach müssen sich Menschen mit Kindern von linkspolitischen Aktionen fernhalten, da ein Polizeieinsatz willkürlich, jederzeit erfolgen kann. Ein Aktivismus mit Kindern wird damit fast verunmöglicht. Medial kursiert nun das Bild, dass Menschen, die sich mit kleinen Kindern an linken Aktionen beteiligen, diese Kinder einer Gefahr ausliefern.

Dass der Wald einer der sinnlich anregendsten Orte zum Experimentieren und Erforschen für kleine Kinder ist, blieb in den Medienberichten unerwähnt. Der Errichtung von Waldkindergärten in vielen Gemeinden wird eine Legitimität zugesprochen, die linken Aktivistis mit kleinen Kindern im Kontext von Waldbesetzungen zur gleichen Zeit aberkannt wird. Währenddessen wird gesamtgesellschaftlich ein Bild gezeichnet, wonach Strategien wie der kritische Konsum für eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft ausreichen soll. Viele Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind diesen Bildern und Erzählungen regelmäßig und schutzlos ausgeliefert.

Dabei liegt der Grund der Zerstörung von Umwelt und Lebensräumen nicht am Konsumverhalten des Einzelnen, sondern am Kapitalismus und dem im System verankerten Profitzwang, welcher diesen Planeten faktisch unbewohnbar machen wird. Das, meine lieben Freund_innen, ist nicht nur Kindeswohlgefährdung seitens eines zerstörerischen Systems. Das ist ein Verbrechen an der gesamten Tier- und Pflanzenwelt, nicht nur im Stifti, sondern auch an den Orten der Rohstoffausbeutung. Lasst uns dieses Verbrechen gemeinsam stoppen und die Verantwortung im Hier und Jetzt selbst in die Hand nehmen, da es sonst keine Zukunft geben wird.

Die Regierung wird uns nicht retten. Das können nur wir selbst. Informiere dich, vernetze dich und setze deine Ideen um. Werde Teil von unserer Bewegung und unterstütze die Mahnwache. Für Freundschaft und Liebe statt Konkurrenz und Vereinsamung. Wir leben achtsam im und mit dem Wald und laden auch den Ritterstift weiterhin zum Austausch ein.

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